Mit Bergführer auf dem Klettersteig im Zieltal unterwegs
An einem Traumtag im Juli gibt es gleich 2 Premieren für uns: Wir sind zum ersten Mal auf dem Ziel Klettersteig unterwegs und wir treffen zum ersten Mal persönlich den Bergführer Josef Hilpold. Am Ende des Tages haben wir nicht nur das idyllische Zieltal kennengelernt, sondern auch einen interessanten Menschen, der sehr mit der Natur und den Bergen verbunden ist.
Der Ziel Klettersteig wurde 2020 errichtet und als Josef Hilpold ihn für unsere gemeinsame Tour vorschlug, waren wir gleich Feuer und Flamme. Denn wir kennen zwar den imposanten Partschinser Wasserfall, sind aber dem Zielbach noch nicht höher hinauf ins Zieltal gefolgt. Außerdem trauten wir uns diesen Klettersteig auch zu: Großteils geht der Schwierigkeitsgrad nicht über B/C hinaus, doch gibt es 3 Schlüsselstellen im Schwierigkeitsgrad C. Nach dem ersten einfacheren Teil kann man sich entscheiden, ob man auch den schwierigeren zweiten Teil des Klettersteigs in Angriff nimmt und auch nach der ersten C-Stelle ist noch ein Notausstieg möglich. Doch insgeheim bauen wir darauf, dass wir zusammen mit Josef den ganzen Klettersteig bewältigen und das aussichtsreiche Gingglegg (1.891 m) erreichen. Schließlich ist Josef ein Mann, der sich nach 16 Jahren als Bergführer nicht nur mit Bergen, sondern auch mit Menschen am Berg bestens auskennt.
Der Weg zum Bergführer
Josef wurde 1982 in Brixen geboren und wuchs im Dorf Lajen auf. Im Alter von 6 Jahren hatte er ein Schlüsselerlebnis: Während seine Eltern mit Freunden mehrere Partien Watten spielten, beobachtete Josef mit einem Gucker Kletterer auf dem Sellajoch und fing dann auch an zwischen den Felsblöcken der Steinernen Stadt unterhalb des Langkofels herumzukraxeln. Ab da wollte er unbedingt klettern. Da seine Mutter aber nicht viel vom Klettern hielt, absolvierte er erst mit 17 Jahren seinen ersten Kletterkurs. Nach diesem AVS-Kurs in Landro hatte ihn endgültig die Kletterleidenschaft gepackt.
Zuerst machte er vor allem Touren in den Dolomiten und später auf die Viertausender in der Schweiz und in Frankreich. Doch neben der Arbeit als Elektriker blieb ihm zu wenig Zeit für die Berge. Beim ersten Versuch scheiterte er zwar bei der Eignungsprüfung für die Zulassung zur Ausbildung als Bergführer in Südtirol am Skifahren, doch er ließ sich nicht entmutigen. Ein Jahr lang bereiste er Afrika, Asien und Amerika, lernte andere Kulturen und neue Bergwelten kennen und schaffte danach die Eignungsprüfung. Mit 25 Jahren war er bereits staatlich geprüfter Berg- und Skiführer und hatte damit den Beruf gefunden, der perfekt zu ihm passt. Josef ist überzeugt: „Du musst etwas lei (nur) wirklich wollen, dann schaffst du es auch.“
Ganzheitliche Bergerlebnisse
Wegen seiner ruhigen, angenehmen Art ist Helmut Gargitter Josefs Vorbild als Bergführer und auch Josef selbst strahlt eine sympathische Gelassenheit aus. Josef liebt an Kletter-, Trekking- und Skitouren, dass dabei die stille Schönheit der Berge mit einem sportlichen Abenteuer kombiniert wird. Wenn Josefs Kunden anfangs manchmal nur verbissen an das Erreichen des geplanten Ziels oder an das perfekte Foto denken, versucht Josef ihnen zu vermitteln, dass es bei Bergtouren um mehr geht: Wer sich ganz auf den Moment einlässt, dem Bergführer vertraut und auch einmal seine Komfortzone verlässt, wird mit einzigartigen, beglückenden Bergerlebnissen belohnt. Josef ist nicht nur gerne mit Erwachsenen am Berg unterwegs, sondern auch mit Kindern, denn sie sind nicht so kopflastig wie Erwachsene und gehen Herausforderungen mit mehr Leichtigkeit an. Wir erfahren noch etwas Interessantes von Josef: Seiner Erfahrung nach neigen Männer eher als Frauen dazu, ihre Fähigkeiten am Berg zu überschätzen.
Hinauf aufs Ginglegg
Zum Glück haben wir uns nicht überschätzt und bewältigen den Ziel Klettersteig in voller Länge. Frühmorgens sind wir mit dem Auto vom Pustertal, wo Josef aktuell wohnt, nach Partschins gefahren. Von der Bergstation der Texelbahn aus wandern wir auf dem Meraner Höhenweg Nr. 24 bis zur Schutzhütte Nasereit, überqueren die Brücke dahinter und folgen der Beschilderung. Rote Punkte markieren den Einstieg. Ausgerüstet mit Klettersteigausrüstung und Helm und geführt von Josef wagen wir uns an den ersten einfacheren Teil des Klettersteigs, wobei wir auch die Seilbrücke am Ende problemlos überqueren. Alternativ gibt es eine Zip-Line zum Überwinden der Passage. Im zweiten Teil fordert uns vor allem eine überhängende Stelle, aber mit Josef an unserer Seite stehen wir schließlich glücklich und zufrieden oben auf dem Ginglegg. Wir erleben an diesem Tag eine Naturidylle zwischen würzig duftenden Almwiesen, steilen Felswänden und dem rauschenden Zielbach mit mehreren Wasserfällen, denn der 530 m lange Klettersteig ist harmonisch in die wunderschöne Berglandschaft des Zieltals eingebettet.
Klettersteige & Sehnsuchtsziele
Als wir Josef fragen, welche Klettersteige er besonders empfehlen kann, verrät er uns seine Favoriten für unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. Er nennt uns für Anfänger den Übungs- und Familienklettersteig Knott, einen Kletterpark oberhalb der Bergstation der Seilbahn Unterstell. Für Anfänger mit mehr Erfahrung und mehr Kondition gehören der heutige Ziel Klettersteig, der Heini Holzer Klettersteig am Ifinger und die Ferrata Furcela de Saslonch unterhalb der Langkofelscharte zu seinen Top 3. Schon allein wegen der Länge sehr anspruchsvoll ist der Pößnecker Klettersteig am Sellajoch, und für den extrem schwierigen und exponierten Hans Kammerlander Klettersteig in Ahornach braucht man nicht nur viel Kraft, sondern auch starke Nerven. Privat gibt es für Josef nichts Schöneres als das Alpinklettern in den Dolomiten, wobei er bis zum 8. Schwierigkeitsgrad klettert. Eine Herausforderung, die ihn besonders reizen würde, ist der „Hexenbeißer“: Diese Route am Zwölfer wurde bisher erst einmal von Valentin Pardeller und Christoph Hainz begangen. Außer in den Dolomiten ist Josef auch gerne in den Berglandschaften von Ländern wie Marokko oder Argentinien unterwegs, denn dort wird vieles ein bisschen lockerer gesehen und es gibt noch nicht so viele komplizierte Vorschriften und Bürokratie.